im blauen Sessel 2025
Die 18. philosophisch-literarische Salonnacht findet am 11. April 2025 statt zum Thema gegenüber.
Unsere Zeit ist geprägt von einer Überbetonung des Individuums. ICH! Wo es ein WIR gibt, definiert es sich nicht selten durch die Ausgrenzung der ANDEREN.
Doch die Gesellschaft ist ein Vertrag auf Gegenseitigkeit. Menschsein gelingt nur im Miteinander, in der Auseinandersetzung mit einem Gegenüber. Beziehungen können gelingen und misslingen. Aber Voraussetzung, um überhaupt in den Austausch mit einem Gegenüber zu treten, sind Offenheit, Respekt und Akzeptanz. Nur wer zuhört und hinsieht, schafft eine Grundlage für das Erkennen des Mitmenschen und für einen friedlicheren Umgang miteinander.
„Das Antlitz lähmt die Tötungslust“, sagte einmal der litauisch-französische Philosoph Emmanuel Levinas. Die Mitwirkenden der Salonnacht 2025 beschäftigen sich in zehn Salons mit unterschiedlichen Facetten von Beziehung. Das Gegenüber können Menschen sein, künstliche Intelligenz, die Gesellschaft oder das Göttliche.
Unsere Gäste 2025 |
Aleida AssmannGemeinsinn |
Unter Gemeinsinn verstehen die Autoren des gleichnamigen Buches einen sozialen Sinn, der in allen Menschen angelegt ist, aber durch die Bildung und Kultur weiter entwickelt werden muss. Es geht dabei um die Praxis des guten Zusammenlebens, für die es seit der Antike auch heute noch gültige Rezepte gibt. Sich auf diese Grundlagen neu zu besinnen und sie umzusetzen ist ein dringendes Anliegen in einer Welt, die durch Gier, Gewalt und die Produktion von Feindbildern akut bedroht ist. |
Die Anglistin und Kulturwissenschaftlerin ist emeritierte Professorin an der Universität Konstanz. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Gedächtnisforschung. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (mit Jan Assmann). Foto: Corinna Assmann |
Katharina MeissenMutters Stimmbruch |
Mutter lebt allein. Mit Eigensinn und Wut setzt sie sich mit ihrem alternden Körper auseinander, der ihr immer mehr Verluste zumutet: Sie verliert die Stimme, und nach und nach die Zähne. Ihr Körper wird ihr fremd, er verwandelt sich. Als ihr das Haus auf dem Land über den Kopf wächst, zieht sie in die Stadt, wo sie mit skurrilen Aktionen versucht, ein äußeres Gegenüber zu finden – und sei es nur die Telefonauskunft. Das Befremden, das sie damit auslöst, kümmert sie nicht. Mutter entwickelt neue Stärke. Kann sie so ihre Stimme wiederfinden? |
Die Autorin hat Kultur- und Literaturwissenschaft studiert und lebt in Berlin. Mutters Stimmbruch wurde mit dem Meersburger Droste-Förderpreis und dem Bremer Literaturförderpreis ausgezeichnet. Lesungen entsprechen ihrem akustischen Literaturbegriff: Literatur ist nicht nur Buch, sondern auch Schall und Laut. Foto: Maischa Souaga |
Judith Kuckart Die Welt zwischen den Nachrichten |
Die äußere Welt, Nachrichten und Personen, finden ihren Widerhall im Persönlichen. In Judith Kuckarts autofiktionalem Roman wirken die Morde der RAF, die Ölkrise und das Ende der DDR ebenso auf ihr Leben ein wie die Menschen, mit denen sie lebt. Und auch eine Buchverlegerin, die nach dem Besuch einer von Kuckarts Tanztheaterpremieren die Autorin ermutigt: Sie könnten auch mal einen Roman schreiben. So nimmt ein Leben immer neue, entscheidende Wendungen, angestoßen von einem gerade im richtigen Moment auftretenden Gegenüber. Zufall? |
Die Schriftstellerin, Choreografin und Regisseurin lebt in Berlin. Sie studierte Literatur- und Theaterwissenschaften und absolvierte eine Tanzausbildung an der Folkwang-Hochschule Essen. Zum Schreiben kam sie über das (Tanz) -Theater. Ihre zahlreichen literarischen Werke wurden vielfach ausgezeichnet. Foto: Martin Rottenkolber |
Martina HefterHey guten Morgen, wie geht es Dir? |
Wenn Juno nachts nicht schlafen kann, chattet sie online mit Love-Scammern – Männern, die unter falscher Identität die große Liebe versprechen, um Frauen um ihr Geld zu bringen. Bald wird Juno süchtig danach, diesen Männern ihrerseits die abenteuerlichsten erfundenen Identitäten vorzuspielen, bis diese entnervt aufgeben. Ihre reale Existenz mit einem schwerkranken Mann und finanziellen Sorgen verbirgt Juno sorgsam – auch als sie eines Tages auf einen Love-Scammer trifft, der für sie in ihren einsamen Nächten aus der Ferne zum Gegenüber wird. Doch wie weit trägt eine Beziehung, die auf Lügen aufbaut? |
Die vielseitige Autorin und Performancekünstlerin lebt in Leipzig. Szenische Texte setzt sie gemeinsam mit anderen Kreativen in Performances um. Neben fünf Gedichtbänden hat sie drei Romane veröffentlicht. Für ihren Roman »Hey guten Morgen, wie geht es dir?« erhielt sie 2024 den Deutschen Buchpreis. Foto: Maximilian Gödecke |
Susanne Gregor |
Ohne Paulina wären Klara und Jakob aufgeschmissen: Die Slowakin pflegt Klaras Mutter nach einem Schlaganfall, ihre eigenen Kinder sind so lange bei der Oma in der Slowakei. Die „Chefs“ wissen Paulinas Dienste zu schätzen, zeigen sich großzügig bei Extradiensten der Pflegerin und bieten ihr das Du an. Ist sie nicht sogar beinahe eine Freundin? Wie Paulina selber das asymmetrische Verhältnis zu ihren Arbeitgebern sieht, behält sie für sich. Doch plötzlich ist Klara tot, beim Wandern abgestürzt. Und nur Paulina war dabei. |
Die Autorin wurde in der Slowakei geboren und lebt heute in Wien. Nach dem Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg lehrte sie Deutsch als Fremdsprache an der University of New Orleans. Ihr letzter Roman „Wir werden fliegen“ war für den österreichischen Buchpreis nominiert. Foto: Heribert Corn |
Eva Weber-GuskarGefühle der Zukunft |
Künstliche Intelligenz (KI, AI) macht Angst, verunsichert, weckt aber auch Hoffnungen und Neugier auf eine inspirierende Zukunft. Der Dialog mit solchen Sprachsystemen kann für die Menschheit eine Erweiterung der kognitiven, auch kreativen Fähigkeiten mit sich bringen. Doch wie sieht es mit der emotionalen Dimension aus? Mit Affective Computing werden soziale Chatbots entwickelt, die Emotionen simulieren und beim Gegenüber erfassen können. Kann das Panorama menschlicher Erfahrungen damit positiv erweitert werden? Und ist es denkbar, dass solche Systeme selbst Gefühle entwickeln? |
Die Philosophin ist Professorin für Ethik und Philosophie der Emotionen an der Ruhr-Universität Bochum. Ihre Forschung beschäftigt sich unter anderem mit der Zeitlichkeit von Emotionen und mit philosophischen und ethischen Fragen zum Affective Computing (Emotion AI). Foto: Sabine Zoltnere |
Thea CaillieuxEva und Adam, Adam und Eva |
Alles beginnt mit Adam und Eva. Und vielleicht endet es bei Eva und Adam? |
Die Philologin und Kunsthistorikerin studierte Germanistik, Anglistik und Kunstgeschichte in Heidelberg und Tübingen. Sie arbeitete als Gymnasiallehrerin. Außerdem engagierte sie sich in der Lehrerfortbildung und bei einem Schulbuchverlag zum Thema Literaturvermittlung. Foto: Gudrun de Maddalena |
Steffen NowakDie Maschine steht still |
Irgendwann in der Zukunft leben die Menschen in Räumen unter der Erde, jeder für sich allein. Eine allmächtige, nahezu göttliche „Maschine“ befriedigt alle denkbaren Bedürfnisse. Vashti und ihr Sohn Kuno kommunizieren wie alle anderen nur über sie. Doch Kuno erzwingt ein leibhaftiges Treffen, bei dem er seiner Mutter etwas Ungeheuerliches gesteht: einen heimlichen Ausflug zur Oberfläche, wo einige wenige Menschen außerhalb des Einflusses der Maschine leben. Könnte das ein Ausweg sein, wenn die Maschine versagt? |
Der Schauspieler, Autor und Regisseur stellt die bereits 1909 erstmals erschienene Science Fiction-Kurzgeschichte des britischen Autors Edward M. Forster vor. Nowak studierte Schauspiel in München, Burghausen und Los Angeles. Seit 2013 steht er als Regisseur vornehmlich hinter der Kamera. Foto: Sebastian Krawczyk |
Frank BerzbachDie Kunst, zu glauben |
Dieses Buch ist ein Sachbuch, und doch auch keines. Denn es geht nicht um eine Gebrauchsanweisung zum Glauben, sondern um eine spirituelle Suche. Der Glaube wird für viele Menschen heute auch deshalb zur „Kunst“, weil die institutionalisierten Kirchen es Gläubigen schwer machen. Der Autor jedoch schreibt aus seiner zutiefst persönlichen Erfahrung eines göttlichen Gegenüber. In der Kunst, der Musik, der Literatur und nicht zuletzt im Gebet findet er Spuren des Göttlichen. Und er sucht das Universelle in den Weltreligionen, so zum Beispiel die Verbindung von Zen-Buddhismus und Christentum. |
Nach einer Ausbildung zum Technischen Zeichner studierte Frank Berzbach Erziehungswissenschaft, Philosophie und Literaturwissenschaft. Er unterrichtet am Institut für Medienforschung der Technischen Hochschule Köln Literatur und Philosophie. Foto: Jenny Bartsch |
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Das Kind und die Großmutter leben in einem Dorf in Graubünden. Ein unsentimentales, doch warmes Gegenüber ist die Großmutter für die Enkelin, die an einer Schuld trägt, die zu groß ist für ein Kind. Wie konnte der Bach den kleinen Bruder holen? Wo sind die Eltern? Die Leerstellen füllen die Großmutter und das Kind mit Erinnerungen und reicher Fantasie. Auch der Großvater lebt im Herzen der Großmutter, obwohl er bereits in Tamangur wartet, im Paradies der Jäger. „Das Leben ist doch nur ein Versuch zurückzukehren. Das Kind hebt den Kopf und schaut die Großmutter fragend an. Nach Tamangur, sagt die Großmutter ruhig.“ |
Die Schweizer Poetin und Erzählerin lebt im Unterengadin. Sie schreibt in rätoromanischer und deutscher Sprache. Neben vielen anderen Literaturpreisen wurde sie 2023 mit dem Schweizer Grand Prix Literatur ausgezeichnet. Foto: Georg Luzzi |