9. Salonnacht am 11. April 2014 zum Thema:

 

Das Böse


Einführung von Karin Nowak




Jennifer Teege, Autorin

„Amon - Mein Großvater hätte mich erschossen“

Gibt es eine Erbschuld? Dieser Frage muss sich Jennifer Teege stellen, als sie mit 38 Jahren durch Zufall erfährt, dass sie die Enkelin des KZ-Kommandanten Amon Göth ist. Die Tochter aus einer Beziehung von Göths Tochter Monika mit einem Nigerianer wuchs bei Adoptiveltern auf und ahnte nichts von ihrer Familiengeschichte, die sie nun  gemeinsam mit der Journalistin Nikola Sellmair recherchiert. Die Brutalität der Verbrechen ihres Großvaters, der 1946 hingerichtet wurde, stürzt sie in eine existenzielle Krise. Wie viel von diesem Mann steckt auch in ihr? Kann man sich von einer solchen familiären Bürde überhaupt befreien? 

Jennifer Teege hat vor der Entdeckung ihrer Herkunft in Israel studiert. Sie ist Werbetexterin und lebt in Hamburg.


 

Dirk Kurbjuweit, Journalist & Schriftsteller

„Angst“

Der Feind lebt im selben Haus. Ein Stalker macht Familie Tiefenthaler das Leben zur Hölle. Unter dem Druck seiner Nachstellungen, subtilen Drohungen und Intrigen hält die Angst Einzug in ihr Leben. Polizei und Rechtsstaat bieten keinen Schutz. Die Fassade der bürgerlich-liberalen Familie beginnt zu bröckeln. Und mit ihr die Grenze zwischen Recht und Unrecht. Ist Selbstjustiz gerechtfertigt, um die Kontrolle über das eigene Leben wiederzugewinnen? 

Der SPIEGEL-Autor Dirk Kurbjuweit wurde für seine Reportagen u.a. mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis ausgezeichnet. Neben „Angst“ hat er fünf weitere Romane veröffentlicht.


 

Hippe Habasch, Autorin

Bernhard Thomas Klein, Komponist & Klangkünstler

„die liebe kam von links“

In hinterhältigen und makabren Prosa-Miniaturen geraten wohlerzogene Bürger  in Zustände, die man getrost als geistigen  Amoklauf bezeichnen kann. Ein böses Vergnügen. Darf man sich trauen zu lachen? Bernhard Thomas Klein begleitet die Lesung auf der Tuba. In den Tiefen seines Instrumentes spürt er dem Bösen nach und bringt das Abgründige zum Klingen.

Hippe Habasch lebt im Westallgäu. Neben Kurzprosa schreibt sie Gedichte und Krimis. Behauptet wird, dass sie Kameras scheut, Preise aber dennoch annimmt. Bernhard Thomas Klein blickt mit Videoarbeiten und Klanginstallationen über den Tellerrand der Musik. Seine Kompositionen wurden mehrfach ausgezeichnet.



Fabian Oppolzer, Autor

"Kein böses Kind“

Ein Lehrer, der gegenüber einer Schülerin Grenzen überschreitet. Ihre Mitschüler, die sein Verhalten ahnden wollen. Die Ehefrau des Lehrers, die die Aggressionen gegen ihr geistig behindertes Pflegekind kaum zügeln kann und zwanghaft nach der Wahrheit hinter den Lügen ihres Mannes sucht. In diesem Roman lassen Selbstbezogenheit und fehlende Wahrhaftigkeit die Beziehungen sämtlicher Protagonisten scheitern. Keine der Figuren in diesem Buch bleibt ohne Schuld. So treibt die Geschichte unausweichlich auf ein Unglück zu. 

Fabian Oppolzer studierte Theologie, Literaturwissenschaften und Geschichte. Er lebt in Wien. „Kein böses Kind“ ist sein Debütroman.


 

Wolfgang Heuer, Politologe

"Der Wahn von der Allmacht der Menschen"

In der Aufklärung hoffte man, mithilfe der Vernunft das Böse verstehen und bekämpfen zu können. Kant sah  im menschlichen Freiheitsvermögen die Wurzeln des radikal Bösen ebenso wie des Guten. Holocaust, Totalitarismus und Völkermorde rückten für Hannah Arendt das Extreme des Bösen in den Mittelpunkt, das Überschreiten der Grenzen des Denk- und Sagbaren, das sie auf den „Wahn von der Allmacht des Menschen“ zurückführt. Dieser manifestiert sich auch in den Grenzüberschreitungen von Hooligans, Scharfschützen und des norwegischen Mörders Anders Breivik.

Wolfgang Heuer lehrt politische Philosophie am Otto-Suhr-Institut für politische Wissenschaft der Freien Universität Berlin. Einer seiner Forschungsschwerpunkte sind die Schriften Hannah Arendts.


 

Ruth Toma, Drehbuchautorin

"Das Böse im Film"

Der  Film „3096 Tage“ zeigt die achtjährige Gefangenschaft von Natascha Kampusch, die als Zehnjährige verschleppt und von ihrem Entführer unter entwürdigenden Bedingungen gefangen gehalten und misshandelt wurde. Wie kann man eine solche Geschichte verfilmen, ohne den Voyeurismus der Zuschauer zu bedienen? Wieso üben Filme über die dunkle Seite des Menschen eine solche Faszination aus? Anhand von Filmausschnitten zeigt Ruth Toma, wie eine filmische Annäherung an das Böse gelingen kann.

Ruth Toma schrieb neben „3096 Tage“ Drehbücher für zahlreiche Kino- und Fernsehfilme und wurde u.a. mit dem Adolf-Grimme-Preis und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.


 

Isabel Prahl, Filmemacherin

Kurzfilm „Ausreichend“

Leise Stimme, lange Locken, intellektueller Anspruch: in den Augen seiner Oberstufenschüler ist der junge Deutschreferendar Jakob das geborene Opfer. Die anfänglich eher zufälligen Respektlosigkeiten nimmt Jakob mit Gelassenheit. Doch dann entwickeln einige Schüler ein System der Niedertracht, dem der Pädagoge hilflos ausgeliefert ist. Und auch für die Schüler gibt es kein Entrinnen mehr aus der Dynamik ihres Zerstörungswerks.

Isabel Prahl studierte an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Ihr Diplomfilm „Ausreichend“ gewann u.a. den Nachwuchsfilmpreis First Steps Award 2012 der Deutschen Filmakademie.


 

Esther Maria Magnis, Autorin

„Gott braucht dich nicht“

„Vielleicht ist Gott ein Sadist“, denkt Esther Magnis, als ihre Gebete nicht erhört werden und der Vater qualvoll stirbt. Sie bricht mit Gott, und dann mit der Vorstellung, dass es Wahrheit geben könnte. Dieser Bruch führt sie, ohne dass es ihr  bewusst ist, in den Nihilismus: „Gut und Böse waren längst verschwunden. Wahrheit? Es gab sie nicht“. Der Untertitel des Buches lautet jedoch "eine Bekehrung". Magnis wendet sich Gott nach langem Kampf und Abgrund wieder zu. Doch kurz danach erkrankt ihr kleiner Bruder an Krebs.

Esther Maria Magnis hat Vergleichende Religionswissenschaft und Geschichte studiert. Sie lebt in Berlin.


 

Claire Beyer, Autorin

„Rauken“

Vroni wächst in der Nachkriegszeit auf dem Land im Allgäu auf. Ihr Vater, traumatisiert vom Krieg, beherrscht die Familie durch seine bedrohliche Allgegenwart und seine unberechenbaren Gewaltausbrüche. "Der Krieg bringt auch die um, die er nicht tötet." Die schwache Mutter bietet den Kindern keinen Schutz. Zarte Freundschaften außerhalb der Familie werden zerstört. Doch Vroni wird vom alltäglichen Bösen nicht gebrochen. Sie hat eine innere Widerstandskraft. Und sie kann warten, bis der Vater Schwäche zeigt...

Claire Beyer stammt aus dem Allgäu. Ihr umfangreiches, mehrfach preisgekröntes Werk umfasst Romane, Lyrik, Theaterstücke und Libretti.


 

Michael Schmidt-Salomon, Philosoph & Autor

„Jenseits von Gut und Böse“

„Gute und böse Menschen gibt es ebenso wenig wie gute und böse Katzen oder Delfine“, so die These von Michael Schmidt-Salomon. Er schlägt einen Abschied von den traditionellen Moralbegriffen vor. Denn das klassische Gut-und-Böse-Schema habe der Menschheit niemals zu besseren Lebensverhältnissen verholfen. Im Gegenteil: „Hinter der moralischen Maske lauerte immer schon der blinde Instinkt der Rache“.

Michael Schmidt-Salomon ist Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, einer Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung, der sich viele Wissenschaftler, Philosophen und Künstler angeschlossen haben.



 

 Rezension aus der Schwäbischen Zeitung: