unendlich

endlich

un  frei


Meine Damen und Herren, wie frei wir sind! Und doch - nur vermeintlich frei. Wir lassen uns einfangen von der globalen Meinungsindustrie und leben unter dem Diktat der Finanzmärkte, deren Zwänge bis in unser privates Leben hinein dringen. Freiheit jedoch bedeutet mehr als Abwesenheit von Zwang. Freiheit ist ein radikaler Begriff. Er reicht an die Wurzeln des Selbstverständnisses jedes Einzelnen heran und daran, wie unsere Gesellschaft zu sein hat. Das Verlangen nach Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung ist bis heute ungebrochen. Der Kampf von Individuen und Völkern um Freiheit ist noch immer blutig. Die Zahl der Opfer gewaltig. "Lauert im Grund von Freiheit der Schrecken?" fragt Siegbert Peetz in einem Aufsatz. Theodor W. Adorno sieht Freiheit als Gradwanderung und schreibt: "Freiheit ist ein gefährdetes Unternehmen, dessen größter Feind der Mensch selbst ist."      


So tun sich auf dem Grad der Möglichkeiten Abgründe auf, die uns Horrorszenarien zeigen. Denken wir an unsere freie Marktwirtschaft: mit erpressten Angestellten und ausgepressten Leiharbeitern. Oder an den Handel mit der Ware Mensch: ob einzelne Organe oder insgesamt sexuelle Versklavung. Oder denken wir an die benötigte anwachsende Sicherheitspolitik: technikfixiert, samt Überwachung auf allen Ebenen, als Prävention - zum Schutz unserer Freiheit! Hat Freiheit Grenzen? Ist frei, wer eine Heimat hat, von einer Religion berufen wurde, Rechte errungen oder Millionen gewonnen? Oder macht Arbeit frei, wie es über dem Tor in Ausschwitz steht? Arbeit macht unabhängig, glauben afrikanische Boatpeople und wagen Unmenschliches, um über das Meer zu kommen.


Was genau heißt es, frei zu sein? Den Herkunftsworten von fri, frjalis sind sprachwissenschaftlich folgenden Eigenschaften zugeordnet: gotisch: fridjan = schonen, gernhaben, lieben; althochdeutsch: fridu = schutz, freien (zusich nehmen) friede; angelsächsisch: free= anders, gebildet(!). Aus den indogermanischen Wurzeln haben die Germanen "frei" als Begriff der Rechtsordnung entwickelt. Das heißt: Personen, die man liebt und daher schützt, sind eigene Sippen- und Stammesgenossen, dazu zählen Freunde. Sie allein stehen frei und vollberechtigt in der Gemeinschaft, im Gegensatz zu Unfreien, Unterworfenen. Aus dieser rechtlich-sozialen Begrifflichkeit ergibt sich im Laufe der Historie der Gedanke der äußeren politischen Freiheit und der inneren, geistig seelischen, also im Sinne von nicht gebunden, unabhängig sein.


Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir eine ganz persönliche Frage: Sind Sie aus freiem Willen hier? Wirklich? Oder sind Sie hier, weil Ihr Partner oder Freunde gesagt haben „Geh mit!“, obwohl Sie eigentlich lieber daheim vor dem Fernseher geblieben wären, und  Ihre fehlende Fähigkeit "Nein" zu sagen - wie schon so oft - Ihre ganz persönliche Freiheit eingeschränkt hat? Aber hätten Sie anders gehandelt, wenn Sie wirklich zu Hause fernsehen gewollt hätten? Nein. Sie hatten einen Spielraum, in dem Sie das Für und Wider auf die Waage gelegt haben. Einen Handlungsspielraum, wie ihn Peter Bieri nennt. Sie haben vielleicht überlegt, dass es heute keinen Tatort gibt und Jo Bausch hier sitzt, und dann haben Sie sich letztlich doch für den "Blauen Sessel" entschieden. Ihre freie Entscheidung! Kein Zwang, keine Unterdrückung, selbstbestimmt… einfach frei!


Aber vielleicht ist Freiheit bequemer und ohne Denken zu erlangen. Wie im Netz, klick, klick…. Dann müsste es eine Steigerung geben. Eine perfektionierte Freiheit. Freiheit ohne Grenze, unendlich frei.Lassen wir einige Denkmodelle zu Wort kommen: Georg, Friedrich Wilhelm Hegel schreibt: "Im Wagnis des eigenen Lebens gründet der erste Keim der Freiheit". Das heißt also, sich selber wagen, ins Leben hineinwerfen, sich entwickeln, als erster Schritt in die Freiheit.


Entscheidend dabei sei die Erfahrung und die Auseinandersetzung mit Gegenspielern, ohne ihn zu vernichten. Nicht die Vernichtung des jeweils anderen, sondern dessen Überleben sei dabei wichtig, weil es für die eigene Selbstbildung wesentlich ist. Das bedeutet, das Wissen über uns selbst, unser Selbst-be-wusst-sein, ist nicht ein für allemal fertig, sondern es bildet sich erst. Langsam. Und zwar in Prozessen vom Kennenlernen zu wechselseitiger An-er-kennung. Friedrich, Wilhelm Josef Schelling schreibt: "Freiheit ist eine Kraft, deren Dynamik sie zugleich bedroht". Wenn das einst geschlagene, ohnmächtige Kleine, welches groß geworden, stark und endlich frei ist, im Affekt um sich schlägt, so ist diese Handlung motiviert von seinen Prägungen und Mangel an genügend Spielraum zur Reflektion.


Wer einem Familiendespoten die Stirn bietet oder einem Regime, wer offen demonstriert, der hat zuvor darüber nachgedacht. Er hat einen Wunsch gehabt, seinen Willen geformt und eine Wahl getroffen. Auch auf die Gefahr hin, am eigenen Vermögen oder der Welt zu scheitern. Wenn Freiheit wählen bedeutet, muss sie gewünscht und gewollt sein. Der Weg vom Wünschen zum Wollen benötigt ein Pflaster, das Bestand haben muss. Abgewogen und geprüft durch die inneren Willenskräfte des Wünschenden, also zwischen Angst und Vernunft, Selbstbezogenheit und Liebe, bildet sich die innere Entscheidung zur  gewollten Freiheit, zum Ja oder Nein einer Sache, oder um im Schlagen inne zu halten. Freiheit bedeutet, dass ich es bin, der etwas will. Somit kann Freiheit natürlich ebenso Entscheidung zum Bösen sein. Wir hinterlassen Spuren und sind, was wir durch unser Tun geworden sind.


Und jetzt laden wir vom Blauen-Sessel-Team Sie ein, sich unserer Auswahl von Freiheitsmotiven zu nähern. Sollten unsere Türsteher Ihnen Grenzen setzen, denken Sie daran: Das Überleben des Gegenübers ist wesentlich, und zur Selbstbildung gibt es weitere Salons zum gleichen Thema. In diesem Sinn wünschen wir Ihnen anregende Stunden und einen heiteren, geistreichen Abend.